Das  Gewebe des  Lebens...

Kennt ihr das –
dass man etwas ausdrücken muss,
das sich gar nicht so sagen lässt?

Weil etwas passiert ist,
das alles verändert hat.
Oder sich zumindest so angefühlt hat.

Manchmal war es Schmerz.
Und ich habe empfunden,
dass das ein ungeheuer tiefes Grundgefühl ist.

Vicky Wall  schrieb in ihrer Biografie:
**„Seid achtsam, meine Freunde, ihr betretet das Gewebe meines Lebens.“**

Darum bitte ich auch euch:
Ich weiß, das sind keine „guten“ Gedichte.
Aber vielleicht können sie dennoch ermutigen –
sich auszudrücken.
Oder zu verstehen, wie jemand sich fühlen kann.

Es sind Dinge von Ereignissen,
die lange her sind.
Doch sie sind unvergessen.

Dies ist kein Text über Freundschaft, kein Versuch etwas zu klären,

sondern das Halten meiner Grenze 

 

Selbstschutz  ✧ 🪨✧

Jemand beendet den Kontakt. Ich fliege ohne Vorwarnung aus der Bindung.

Dann sehe ich unvermittelt: eine lange Nachricht. Das trifft mich voll ins Herz. Ich kann das nicht anhören.

Ich habe nicht einfach eine Nachricht bekommen, sondern eine Stimme gehört, die ich beerdigt hatte, die ich verloren geglaubt habe, die jetzt plötzlich wieder spricht – und das ist nicht Kommunikation. Das ist Erschütterung.

Das ist eine Grenzverletzung, wenn sie weiß, wie tief meine Verlusterfahrung reicht und trotzdem ohne Vorwarnung zurückkehrt.

Und wenn auch nur ein einziges Wort schräg ist, schreddert das mein Herz.

Weil ich nicht in der Lage bin, zwischen Ton und Absicht zu filtern, wenn ich schon im Überlebensmodus bin.

Und es ist doch unüblich, eine lange Nachricht zu hinterlassen, wenn man sich aus dem Kontakt zurückgezogen hat.

Das ist nicht nur widersprüchlich. Das ist eine Zumutung, wenn ich nicht weiß, ob es ein Versuch der Rückkehr ist, eine Erklärung, ein Monolog, oder einfach ein emotionaler Abdruck, der mich ohne Schutz trifft.

Ich muss das nicht hören. Ich muss nichts beantworten. Ich muss nichts reparieren. Nur meine Grenze halten – auch wenn sie jetzt spricht.

Ich habe gar nicht die Kraft, sie anzuhören. Eine klare, würdige, erschöpfte Grenze. Ohne Deutung. Ohne Vorschlag.

Das ist nicht nur Nachricht. Das ist ein Echo aus einem Raum, den ich geschlossen hatte, weil ich es musste.

Und jetzt steht sie da – nicht als Einladung, sondern als Störung meiner Ordnung.

Ich muss sie nicht hören. Nicht heute. Nicht morgen. Nicht irgendwann.

Ich darf sie liegenlassen, wie man einen Stein nicht hebt, weil man weiß, dass darunter nichts atmet.

 

🪨 27.9.25 Grenzstein, Schutzstein, Nichtöffner... Haltfestiger..  

 

🌧️ Einleitung: Zwischen Sturm und Stille

Manchmal gibt es Texte, die nicht geschrieben werden, sondern passieren. Dieser hier ist einer davon.

Ich war jung, verlor meine Mutter und fand mich in einem Gespräch wieder, das mein Leben retten sollte — und mich zugleich fast zerbrach.

Dieser Text erzählt von Jan. Von einem Mentor. Von einem Abschied. 

🌪️ Dazwischen im Leben

„Was ist größer, das Haar eines Pferdes oder der Fudschijama?“ fragte er. „Der Berg!“ antwortete ich.

„Einsamer, du gehst den Weg des Schaffenden, der über sich selber hinaus schaffen will und so zugrunde geht. Nimm meine Liebe und meine Tränen mit!“ Zarathustra, Nietzsche, zitierte er.

Er, Jan, mein Mentor, der die Flamme in der Dunkelheit war, die erlosch.

 

Da war diese Nacht. Es sollte Frühling sein, aber es hat gestürmt. Ich bin aufgewacht, weil in mir immer dieser Satz herumflog: „Wenn der Wind weht, wenn der Sturm kommt…“ Es war das Letzte, was Jan zu mir gesagt hatte.

Ich war in dieser chilenischen Kneipe, als ich es gehört habe. Es ist wirklich merkwürdig, wenn du etwas hörst, von dem du nicht annimmst, es hätte etwas mit dir zu tun.

Fremde reden über irgendein Phänomen. Es gibt schon komische Zufälle. Ich meine, ich hätte nicht zugehört, wenn nicht gerade in dem Moment mein Gesprächspartner den Tisch verlassen hätte und dieser Werner vom Nebentisch nicht diese Stimme hätte, die du immer hörst, wenn irgendwo eine Pause ist.

 

Jedenfalls ist es ein komischer Moment — diese Sekunde, wo du ahnst, dass du weißt, wovon gesprochen wird. Dieser Moment, wo du spürst, dass du betroffen bist, vielleicht mehr als derjenige, der darüber spricht.

Ich bin implodiert. Ich habe nichts gedacht. Ich habe nur begriffen.

Die Art und Weise, in der jemand sich das Leben nimmt, ist wie eine Handschrift.

Etwas ist so fürchterlich vertraut, sodass du der Erkenntnis nicht entkommst. Und mehr noch trifft dich das Gefühl, du hättest es wissen müssen.

Du gewinnst die Erkenntnis, dass es gar nicht anders hat kommen können.

Nun ergibt sich das Bild klar — nicht anders, als hättest du aus aufziehenden Wolken, der Verdichtung in der Atmosphäre auf die Ankunft eines Gewitters schließen müssen.

Doch es gehört dazu, dass du erst begreifst, wenn es geschehen ist.

Dieses Begreifen fühlte sich an wie eine Implosion. Und der einzige Satz, der in meinem Kopf herumflog, war: „Wenn der Wind weht, wenn der Sturm kommt…“

Wie ein Echo, andauernd, immer wieder, zwischen jedem Herzensschlag, jedem Atemzug — immer wieder dazwischen.

Vielleicht, weil er das zuletzt gesagt hatte und es wie eine Prophezeiung war.

 

Mein Gesprächspartner ist an den Tisch zurückgekommen. Ich war auf einmal ganz leer. Trotzdem habe ich weiter gesprochen. In mir habe ich geschrien.

Mein Bekannter war so weit weg. Ich habe mich alleine gefühlt. Ich hatte Angst, dass mein Bekannter innen keine Ohren hat.

Aber ich wusste, dass er mich nicht hören kann, weil ich nicht sprechen konnte, weil doch einfach gerade alles in Scherben flog.

Dann bin ich gegangen. Es war spät. Ich fuhr mit der Bahn. Bei jeder Station habe ich gedacht, Jan müsste einsteigen: „Jetzt, jetzt!“

Es war überhaupt keiner da! Ich glaube, ich habe gebrüllt nach ihm. Ich wollte, dass er lebt. Ich wusste, er ist tot.

 

Zu Hause schlief ich ein, bis der Sturm mich weckte. Ich bin raus, als der Regen anfing. Ich bin zu ihm gegangen.

Ich hatte Angst, ich würde seinen Topolino vor dem Haus sehen. Ich wollte zu ihm — ich wollte nicht dieses Auto sehen.

Vor dem Haus blieb ich stehen. Mitten im Regen. Ich wusste nicht, wie es weitergeht.

Aber da war Licht im Fenster. Jan stand auf dem Balkon und fragte: „Kommst du?“

Ich bin da stehen geblieben und gleichzeitig losgelaufen. Ich bin die Treppe hoch und Jan stand da und wartete — ganz sicher!

Er lächelte. Ich fragte ihn wütend, ob er es nun geschafft hätte. Aber Jan blieb ruhig und nickte leicht: „Ja.“ sagte er.

Ich glaube, ich habe mich tatsächlich in seine Arme gestürzt. Ich dachte, dass ich ihm sagen wollte, dass ich will, dass er lebt. Dass er bleiben soll.

Aber dann konnte ich es nicht, weil ich nicht wollte, dass er bleibt, wenn er es nicht will.

Und da war es — das, was ich wirklich sagen wollte. Und er hat es verstanden, obwohl ich nur nicken konnte und sagen: „Okay!“

Aber er hat es verstanden, das ist ganz sicher.

Ich wusste, dass es nur in diesem Moment stimmt, wenn ich „okay“ sage.

Ich wusste, es wird mich hinterher umbringen. Aber ich wollte es wenigstens in diesem Moment sagen, wo ich es konnte.

Und ich wusste, dass ich wegen dieses Momentes gekommen war und Jan deshalb auf mich gewartet hatte.

 

Das ist alles wirklich passiert, obwohl ich auf der Straße im Regen stand.

Später hat es mich doch nicht umgebracht —, obwohl ich manchmal nicht ganz sicher bin.

Aber in einem hatte Jan recht: „Wenn der Wind weht, wenn der Sturm kommt, wird der Baum brechen, der sich nicht beugt!“

Das Haar eines Pferdes, ein Sandkorn in der Wüste, ein Tropfen im Meer …

Mit allem eins zu sein ist großartig! Es ist viel größer als der Fudschijama.

 

Ein Raum für unsere kollektiven, verunsicherten Kinder … die mit ungeschriebenen  Gesetzen und Doppelbotschften jonglieren müssen ... 

 

Grundlegend gibt es diesen weißen Nebel, diese Kehle, die zu eng wird, wenn etwas aus mir gesagt werden will – wenn ich sprechen will und nicht nur reden.

Zu eng, um etwas durch den Nebel hindurch zu tragen.

 

Ich wünsche mir keine Verschwörer, keine Jasager zu meiner Ohnmacht, und keine Ablehnung, weil wieder nicht ausreicht, was ich aus mir, dem Nebel, dem Schmerz entwinden konnte.

 

Ich wünsche mir Verbündete, die bei mir stehen, wenn ich verzweifelt bin, ohnmächtig im Nebel.

Wenn ich satt bin vom Schmerz, weil ich Angst habe, dass alles in Scherben fliegt – und nur jemand da sein wird, der mir sagt, es sei meine Schuld, weil ich alles falsch verstanden habe.

 

Ich wünsche mir Verständnis dafür, dass ich Angst habe.

Ich bin bestraft worden, weil ich spreche. Weil ich zu laut spreche, zu leise, am falschen Ort spreche. Weil ich die falschen Worte benutze. Weil ich die Wahrheit sage – und weil ich lüge.

 

Weil ich antworte, obwohl jemand in Wirklichkeit keine Antwort wollte.

Weil ich nicht weiß, was gespielt wird – und es eigentlich wissen sollte.

Und weil, wenn mich jemand verstehen will, ich nicht weiß, was ich sagen soll – weil ich weiß, was gespielt wird, und es nie wissen wollte.

 

Ich lasse mich nicht bestrafen, weil ich Angst habe, weil ich Mut brauche, weil es mühsam ist, Geduld erfordert, weil ich Bestätigung brauche.

Weil ich ohne Echo schutzlos werde, wenn die Gewissheit schwindet, existent zu sein – sichtbar, hörbar, normal und menschlich.

 

Ich wünsche mir, dass jemand dasteht und an mich glaubt.

Dass jemand zu mir hält, der mir vertraut.

Swantje Gätjens 

🌿 Lächle dich Suppengrün

"Der Schleim im Kochtopf, Lach malade Himbeerwurst, Ganz billig – Grün Quadrat" . v.Dorothe Güzel 

 

Liebe Dorothe, diese Zeilen von dir, hatte ich vertont. Wir führten das Lied tatsächlich auf –Mit Violettem Haar und Olivgrüner Schminke.  So viele, so schöne, verlachte Momente. 

Bis zu dem Moment, als du von einem Alptraum erzähltest: Dich griff durch ein Fenster ein Rabe an. Da machte ich mir Sorgen um dich.

Doch du warst klar. Und du gingst. Ein halbes Jahr hat die Krankheit gebraucht.

Ein ernstes Gespräch an der Elbe mit heißen Maronen. Ein bitterer, aber inniger Abschied.

Als ich es erfuhr, ich glaube, ich rauchte drei Schachteln an dem Tag. Der Schmerz war nicht zu betäuben.

Ich überlebte ihn irgendwie, indem ich diese Zeilen schrieb. Aber ich vermisse dich – Unendlich.

" Zeit" für Dorothe Güzel 

 

Es ist die lange Zeit, in der die Seele ruft, in der der Geist aus allen Wolken fällt und in die Tiefe sinkt und wieder aufersteht.

So wie das Leben grausam schweigen kann, wenn sich ein Kelch von Liebe bitterem Ende neigt, so wird dein Traum nun spiegel-los.

Wo Blütenblätter sinken in einen See im stillen Mond gelegt, um Ewigkeit zu trinken.

Es ist die Zeit, sie sagt: Es kann kein Immer sein im Leben – im Gestern und im Heute – und sobald, da wirst du gehen und alles ist bereit.

Es kann ein Fest aus Trauer werden, so wie aus Liebe Schmerz geboren wird.

So wirst auch du gewandelt in der Erde und in der Wandlung ewig sein im Werde.