🔥„Widerstand & Wandel – mein Leben mit Parkinson“🔥
✍️ Der Panther
Rainer Maria Rilke · Jardin des Plantes, Paris
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt.
Der weiche Gang, geschmeidig starker Schritte, der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte, in der betäubt ein großer Wille steht.
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille – und hört im Herzen auf zu sein.
✍️ zum Panther
Dieses bewegende Rilke-Gedicht ist vielen aus dem Film „Zeit des Erwachens“ bekannt.
Oliver Sacks, der die Buchvorlage zum Film schrieb, hat viele weitere Geschichten über Phänomene aus dem Kreis der Nervenerkrankungen beschrieben – etwa von dem Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte oder der Frau mit dem Alien Limb Phänomen, die ihr eigenes Bein nicht mehr erkannte und es beständig aus dem Bett warf.
In „Zeit des Erwachens“ gelingt es durch einen engagierten Wissenschaftler, ein Medikament zu entwickeln, das Menschen, die wie „Zombies“ in einer Anstalt leben, plötzlich zu neuem Leben erwachen lässt.
Es ist wie ein Wunder – und zeigt: Sie haben, wie bei Rilkes Panther, „hinter den Stäben“ alles mitbekommen.
Doch die Tragik der authentischen Geschichte folgt zu bald: Nach einer Phase der Hoffnung und des erwachten Lebens schwindet die Wirkung. Die Patienten fallen zurück in die Erstarrung.
✍️ Gedicht eines Betroffenen
Der Alltag der ist eingeteilt, seit ich vom Parkinson ereilt:
Nach jeder überstandnen Nacht – das hätt ich früher nie gedacht –
geht erst mal nichts und auch nichts weiter, weil er schon da ist – mein Begleiter!
Und gleich ist wieder festgelegt, was selber geht und was gepflegt!
Die Stimmung ist gleich wieder weg, nach diesem ersten Tagesschreck!
Und wenn ich aus dem Fenster schau und's Wetter ist so richtig grau:
Belüg ich mich mit eigner List, dass alles bloß vom Wetter ist!
Um schließlich doch in Gang zu kommen, wird heimlich 'ne LD genommen.
Der Tagesplan zeigt wieder an: Nur was ich will – nicht was ich kann!
Hat‘ mir verdammt viel vorgenommen und bin grad mal aufs Kloo gekommen!
So zieht sich’s übern Tag so hin, dass ich im On, im Off mal bin!
Kino und Theater sind längst aus – wir machen alles selbst zu Haus:
Zu oft schon wollten wir grad fort – da stand ich steif an einem Ort!
Nicht nur bei mir vergeht die Lust, auch bei der Frau steigt dann der Frust!
Auch sie ist endlich voller Groll und findet's ganz und gar nicht toll!
Da kommt viel innere Spannung auf und man reagiert oft falsch darauf:
Zu leben heißt auch sich bewegen, gemeinsam nach etwas zu streben!
Die Frau lebt noch mit mir im Haus und klagt laut: „Ist denn alles aus?!“
Hier kommt die Frage nicht umhin: „Wozu wir leben?“ in den Sinn!
So stellt der Parkinson, manch Tage, die Partnerschaft doch sehr in Frage!
Kein Tag so endet wie er soll – oft hat man echt: Die Schnauze voll!
Muss täglich erst erneut mich finden und an die Pill’n mein Leben binden!
Und selbst bei gut geführter Ehe gibt's Tage mit viel Ach und Wehe!
Hoch ist die Marke nun gestellt: Was dir und mir – und uns gefällt?!
Auch gute Freunde bleiben aus und meiden sichtlich unser Haus!
Das Baden, Schwimmen und das Grillen, das Laufen mit und ohne Ski –
man will’s verdrängen – und doch vergisst man’s nie!
Die Welt ist klein geworden: Weit und breit – nur Pill’n bestimm’n jetzt unsere Zeit!
Das Leben darauf einzustellen verlangt von uns sich umzustellen!
Dem Partner Zoll ein jeder Ehr – er gibt viel auf und noch viel mehr!
Seid lieb und nett, bemüht euch drum! Es kommt doch niemand drum herum!
Selbsthilfegruppe von Fr. Cordes 26.2.2000 – Gertrudes Klinik