Krankheit als Schuld (und andere Menschenbilder)

Im Mittelalter galt Krankheit als Sünde. Als ich an Parkinson erkrankte, bestand die Herausforderung nicht nur darin, die Diagnose zu „verdauen“, sondern auch mit einigen Reaktionen der Umwelt fertig zu werden. Für manche scheint seit dem Mittelalter doch recht wenig Zeit vergangen zu sein.

 

Schuld, Ablehnung & Unglaube Relativ einhellig bestand die Überzeugung: Wenn ich nicht irgendeinen Fehler gemacht hätte – denn sonst wäre ich ja wohl nicht erkrankt – dann war die Krankheit zumindest „schlecht“ und müsse „asap“ weg.

 

Manchmal wurde sie mir schlichtweg nicht geglaubt. Den Luxus hätte man als Betroffene auch gern …

Wunderheilmethoden & Diagnoseprozess Es folgten viele Wunderheilmethoden in Farben aller Couleur – deren gemeinsamer Nenner hohe Kosten waren .

Jede*r mit dieser Krankheit hat eine lange Vorgeschichte. Parkinson wird meist erst diagnostiziert, wenn der größte Teil der dopaminbildenden Zellen in der Substantia Nigra bereits untergegangen ist. Es hat also schon jahrelang etwas nicht gestimmt.

 

Depressionen & Bewertung Viele gehen wegen Depressionen in Psychotherapie – die eigentlich organisch bedingt sind. Wenn die Therapie nicht hilft, gilt das schnell als unkooperatives Verhalten.

Symptome schwanken. Wer gerade im Krankenhaus ist, wenn gerade keine Symptome da sind – hat oft keine Chance.

Diagnoseerlebnis Die Diagnose ist ein Schock – aber auch eine Erlösung. Denn man spürt längst, dass etwas nicht im Lot ist. Endlich eine Erklärung. Sie bestätigt: Du bildest dir nichts ein. Du kannst aufhören zu verdrängen.

 

Krankheit als Realität Erleichterung heißt jedoch nicht, dass man die Diagnose wahrhaben will.

Parkinson ist nicht heilbar – eine Nervenerkrankung, die nicht gemütlich ist. Meist fallen Gehstörungen auf. Aber: Wir haben überall Muskeln. Atemhilfe, Schlucken, Herz …

Anfangsphase: Schwanken & Hoffnung Die Erkrankung ist unberechenbar, besonders am Anfang. Man weiß nicht, was mit einem geschieht, hat Angst, verdrängt.

Und dann: Man fühlt sich gut – glaubt an Wunderheilung, diagnostischen Irrtum, wird euphorisch. Bis zum nächsten Schub. Und jedes Mal ist die Enttäuschung größer. Fällt man tiefer.

 

Umgang mit Krankheit Damit man klarkommt, muss man die Diagnose annehmen. Leugnen hilft nicht. Bagatellisieren hilft nicht. Manche richten sich wie nach einem Fahrplan auf die Krankheit aus. Andere geben sich auf. Wichtig ist: Ich entscheide selbst.

Haltung & Umgebung Ich habe mich geweigert, Mr. Parkinson als Feind zu sehen. Einigen war das unverständlich. Ich merkte, dass sich mein Umfeld oft mehr aufregte als ich. Überforderungsreaktionen muss man niemandem verübeln – doch sie helfen nicht

Reaktionen & Selbstoffenbarungen Viele Reaktionen haben wenig mit mir zu tun. Sie sind Selbstoffenbarungen – aber sie belasten trotzdem.

Der Freund, der weint: „Du bist doch ein guter Mensch – du hast das nicht verdient!“ → Wer hat es denn verdient?

Der Satz: „Das ist ja heutzutage gut behandelbar.“ → Hilft nicht.

Die Verwandte: „Das ist ja schade für dich.“ → Ok. Danke für das Gespräch.

 

Spirituelle Perspektive Ich habe mich geweigert, das abzulehnen, was das Universum mir gab. Ich wusste nicht, was das „Geschenk“ bedeutete – aber ich wollte es verstehen. Was würde die Quelle allen Seins tun, wenn ich es negierte?

Es lag nahe, dass ich zuvor etwas negiert hatte – sonst hätte sich dies nicht manifestieren können. Aber nicht im Sinne von Schuld.

Paracelsus & Ursachen Paracelsus nannte fünf Hauptursachen:

  1. Kosmisch-klimatischer Einfluss der Gestirne

  2. Durch den Körper aufgenommenes Gift

  3. Vorherbestimmung/Konstitution

  4. Einfluss der „Geister“ (bei psychisch bedingten Erkrankungen)

  5. Unmittelbarer Einfluss Gottes / göttliche Fügung

Ganzheitliches Gesundheitsverständnis In der Heilpraktikerschule war uns wichtig: Worin ist der Mensch krank? Und worin ist er gesund?

Ist er … – sozial gesund? – kreativ? – emotional tief? – spirituell? – sensibel & empathisch? – humorfähig? – beziehungsfähig? – schwingungsfähig?

 

Krankheit als Weckruf Wir sahen Krankheit als möglichen Weckruf. Es gab den Buchtitel: „Krankheit als Meditation des Westens.“ → Initiation – wenn man dem Ruf der Seele folgt.

 

Tod & Heilung Wir definierten den Tod nicht als Feind. Wir lernten, dass Patient*innen bis zur letzten Sekunde heilen können – und wir mit ihnen. Wachsen im Sterben.

 

Gibt es „Krankheiten“ überhaupt – oder sind es Selbstrettungsversuche? Ich finde es heilsam, mir zu sagen: Mein Körper greift sich nicht selbst an – er versucht, mir zu helfen

 

Ruf & Begegnung Liegt in dieser Erkrankung ein Schlüssel? Kreiert etwas in mir Situationen, in denen meine Seele heilt – in etwas, das sie dringend braucht?

Jetzt ist der Moment, innezuhalten. Dem Ruf meiner Seele zu folgen. Mr. Parkinson kennenzulernen.

Was will er von mir?