Mallorca 2021 "Alle Räder sind kaputt …!"
"Ne rien ne vas Plus …!" oder, wie es bei mir anfing …
Mallorca & das erste Gefühl
Mai 2021 – Ich bin auf Mallorca, doch es geht mir nicht gut. Ich kann nicht erklären, warum. Alles, was ich sonst liebe – die rote Erde, die hellen Steinmauern, das Meer, die Schafe – berührt mich kaum. Ich spüre keine Freude, keine Energie. Es kostet Kraft, mich überhaupt zum Essen oder an den Strand zu schleppen. Ich esse, was ich „eigentlich mögen, müsste“, doch der Appetit fehlt.
Ich wollte zur Santuari de la Consolació – ein Ort der Kraft. Aber darüber später mehr.
Ich erinnere, wie glücklich ich früher war, auf Mallorca Mountainbike zu fahren. Diesmal, nach kaum zwei Kilometern, gebe ich auf. Der Verleiher ist irritiert: Die Räder seien in Ordnung und genormt. Ich jedoch rede mir ein: Alle Räder seien kaputt – denn etwas anderes kann es ja nicht sein, wieso ich so schwer fahren kann.
Das Meer ist kalt. Die Taucherflossen funktionieren auch nicht. Schwimmen fühlt sich fremd an. Und doch: Das kalte Wasser tut gut. Später erfahre ich, dass fünf Minuten darin den Dopaminspiegel für den ganzen Tag erhöhen können.
Rückkehr & körperliche Veränderungen
Den Urlaub „überstehe“ ich durch liebe Freunde, die täglich mit mir chatten. Überhaupt sind meine Freunde ein großer Segen, für den ich äußerst dankbar bin.
Ich spüre die linke Seite meines Körpers so gut wie gar nicht mehr. Ich gehe nicht – ich torkele. Kleidung und Decken an den Beinen halte ich nachts kaum aus. Mein hoher Muskeltonus neigt zu Krämpfen – doch dass das ganze Bein krampft, ist übel. Dann schläft mein rechter Fuß ein. Ich fahre aus dem Schlaf hoch und schüttele ihn wie verrückt. Es scheint mir so, als dürfe das nicht passieren.
Während eines Telefonates öffnete sich plötzlich eine Spalte in meinem Inneren. Während die Unterhaltung fortgeführt wurde, konnte ich spüren, wie meine linke Körperhälfte durch den Spalt sank, kurz gehalten von der Rechten … und versank...
Emotionale Brüche & Selbstwahrnehmung
Als ich mit Freundinnen singen will, kommt nur ein starres Krächzen aus meinem Hals. Ich bekomme die Stimme nicht zum Schwingen und fühle mich so deprimiert wie ein Vogel, der nicht mehr fliegen kann.
Dazu habe ich oft das Gefühl, dass Strom unangenehm spannungserzeugend meinen Rücken entlangläuft – als hätte ich an einen Kuhzaun gefasst. Eine Kollegin bietet mir an, Zumba zu meinem Lieblingslied mitzutanzen. Meine Bewegungen fühlen sich seltsam eckig an, sie gelingen mir nicht, und ich bin den Tränen nahe.
Ich habe einmal den „Knochenbrecher“ Tamme Hanken gesehen, wie er ein älteres Pferd nicht behandelte. Er sagte, wenn er dessen Haltungsfehler korrigiere, würde das Tier nach kurzem völlig zusammenbrechen. Es hätte eine Kompensation gefunden, die ihm irgendwie noch ermöglichte, sich selbst in einer Starre aufrecht zu halten. So fragil fühle ich mich auch gerade.
Ich wache schreiend aus dem Schlaf auf, meine Zehen im linken Fuß schlafen ein – ich bekomme sie nicht mehr wach.
Krise & Erkenntnis
Im linken Bein kommt es zu Lähmungserscheinungen. Meine Freundin brüllt mich an, ich könne doch nicht zur Arbeit hinken – ich solle zum Arzt gehen.
Sie hat recht, ich kann kein Kind mehr halten und bin so affektlabil, dass ich selber Angst bekomme. Als ich meinen linken Schuh nicht anziehen kann, raste ich aus und knalle eine Spielkonsole an die Wand – und kann damit auch nicht wieder aufhören. Obwohl ich weiß, dass das der teuerste Wutanfall meines Lebens ist, bin ich wie gefangen in dem Ablauf und muss konstatieren:
„Ich kann nicht mehr!“ DIE Bankrotterklärung meines Lebens – hatte ich doch wirklich geglaubt, der feste Wille könne Berge bewegen. Nur mich selbst zu bewegen ist zu schwer.