Gefeiertes Scheitern

Eine der interessantesten Begegnungen in der letzten Zeit war für mich die mit Brigitte Hawelka.

Ricarda vom Checkpoint queer, hatte mir erzählt, dass Frau Hawelka in Lüneburg im Samovar , die Reihe "Trotzdem", Geschichten über das Scheitern und Wachsen, mit Interviewpartnerinnen machen würde.

Dort würde ich doch genau hineinpassen. Nachdem ich mich informiert hatte, war ich sehr berührt und schrieb Frau Hawelka eine Mail. Dann hörte ich zu meinem Bedauern nichts mehr, bis ich gefragt wurde, was denn mit dem Interview am 24.10. sei. Huch? Da war mir wohl eine Mail durch die Lappen gegangen. Inzwischen war der Termin jedoch besetzt und wir überlegten im neuen Jahr zu gucken. 

Am  22.10. fand ich die Anfrage vor, ob ich einspringen könnte, am 24 war jemand ausgefallen. Es sah so aus, als sollte das so sein und es gab ein großartiges Vorgespräch.
Es ist oft im Leben nicht sosehr das "was", sondern das "Wie", das entscheidend ist und die Art gefragt zu werden, war anregend und vertrauen schaffend. Das Interview fand dann im Rahmen der "Trotzdem" Geschichten, im Hinterhof Café vom Samowar, statt. "Only for Woman" - was ein wirklich entspanntes Konzept ist. Der Grund warum mich die Arbeit von Frau Hawelka sofort sosehr berührt hatte, liegt ein bisschen auf der Hand- meine Erkrankung war ein Systemzusammenbruch auf ganzer Linie und im Blogbeitrag über Parkinson findet man, dass ich sofort einen Zugang dazu hatte, dass das wichtig ist, dies auch anzunehmen. Aber das war natürlich nicht das einzige und erste Mal, dass ich "Scheitern" erlebte. Und wie Vera F. Birkenbihl, die ich besonders schätze, verdeutlicht hat, haben wir "Anti Fehler Programme" d.H. wir "dürfen" Fehler nicht machen. Das ist schambehaftet. Insofern müssen sie "geleugnet" werden und so kommen wir nicht dahin, wozu sie gut wären: Lernen. Als Erzieherin hatten mich Texte wie "Der Lob des Fehlers" von Reinhard Kahl besonders beeindruckt oder die vorsichtigen Ansätze, in denen über traumatisches Wachstum gesprochen wurde und nicht zuletzt hatte ich mich einige Zeit mit "Clownarbeit" beschäftigt. Dabei mochte ich Clowns nie und habe den "Zirkus" nicht verstanden, was sollte daran witzig sein auf einer Banane auszurutschen oder dergleichen? Aber eins der Grundthemen des Clowns ist ja das scheitern.  Als jugendliche Waldorfschülerin begegnete mir der Clown "Frieder Nögge". Er führte mit weißgeschminktem Gesicht die 4 Temperamente in unserer Schulaula auf ... und ich brüllte nicht nur vor Lachen, ich stand wochenlang zu Hause, mit dem Programmheft in der Hand und spielte mit Niveacreme im Gesicht Szenen nach. Was war hier passiert? Frieder Nögge... hatte jedes der Temperamente separiert und so überzogen, dass die Qualität sehr, sehr deutlich hervortrat. Und -wir alle haben diesen gemütlichen Phlegmatiker, der erstmal seine Banane schälen oder den Melancholiker, der einfach zutiefst und um jeden Preis, von Weltschmerz erfüllt sein muss. Der Erkenntnisgewinn, war unmittelbar, rasant und radikal. Und so machte es dann auch einmal meine Therapeutin, als ich in Widerständen verheddert gerade nicht weiter kam. Sie winkte mir mit einer Clownnase, die ich mir zu verdienen hatte, indem ich -ich glaube, es waren 30 min. ohne "auszusteigen" den Satz: "DAS KANN ICH NICHT!", mit der roten Nase, spielen musste. Ich hab sie immer noch :-) Es war also auf dieser Bühnenseite nochmal vertiefend, wie absurd das Drama war, dass ich da in meinem Leben inszenierte. Nachdem ich den Satz gestaunt, gebrüllt, geweint und gezetert hatte, lag ich zuletzt auf dem Fußboden und krümmte mich vor Lachen, so bewusst wurde mir in meinem ganzen Körper, dass dieser Satz das absurdeste war, dass ich jemals gesagt hatte.

Frieder Nögge. Ich habe ihm so gern folgen wollen und als ich quasi so weit war, alt genug, um tatsächlich hinzufahren und einen Kurs zu buchen- erreichte mich die Meldung, dass er gestorben war und es klang dramatisch. Ich finde ja das die Anthroposophen und Nögge war ja einer von ihnen, oft sehr schwermütig sind.  (An anderer Stelle werde ich noch zu meinen Erfahrungen mit Waldorfs kommen). Es war ein Schock für mich, dass mein großes Vorbild so gegangen war. Und ich fühlte mich gleichzeitig auch, mit diesem Impuls von ihm, zutiefst wesensverwandt. 

Da ich glaube ich die Welt nur Be-GREIFEN-kann, indem ich sie manuell bearbeite, habe ich damals ein paar Diafilme über Nögge gemacht aus allen möglichen Komponenten, denn natürlich ein waschechter "Antro" hinterlässt sein Lebenswerk leider nicht unbedingt auf einem Film.
Ich wollte wissen, was mit ihm los war. Und ich fand das Trauma, dass er als Kind erlebt hatte und der Auslöser, wie der Clown geboren wurde. Der überlebende, der Abstand nehmen konnte, bis es ihm wohl nicht mehr gelang. Das macht ein mulmiges Gefühl, denn es zeigt, wie existenziell es wirklich ist.
Ich schätze das es auch daher stammt, dass wir uns in der Natur kein Scheitern erlauben konnten, der Säbelzahntiger gibt keine 2. Chance. Es wäre interessant, die Hirnforschung einzubeziehen, wenn man sich diesen Fragen nähert. Wenn man sozusagen "erfolgreich scheitern" möchte, wäre es gut, das nicht "gegen" sondern "mit" dem entsprechenden Hirnareal zu machen. 

To be continued...

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